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Generationentreffen

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2016

„Zeitzeugen gesucht“, so der Anruf von Mgr. Jacek Jeremicz aus Gorzòw. Jacek Jeremicz hat für die deutsch-polnische Zusammenarbeit mit Christa Greuling in der Bundesarbeitsgemeinschaft intensiv und begeistert gearbeitet und tut es heute (2020) noch als Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Brandenburg. Er befasst sich seit 20 Jahren aktiv mit den deutsch-polnischen Beziehungen. Er betreute über viele Jahre u.a. die Zusammenarbeit zwischen den ehemaligen Landsbergern und der Stadt Gorzów. Er war für die Gestaltung und Umsetzung des Projektes „Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen im II. Weltkrieg - Folgen und Ereignisse“ im Auftrage der Stiftung Brandenburg verantwortlich. Im Rahmen dieser Veranstaltung gab Herr Jeremicz dem damaligen Redakteur des Heimatblattes dieses Interview:

Karl-Heinz Wentzell: Im Juni fand in Landsberg/Gorzów ein deutsch-polnisches Treffen statt. Wer hatte dazu eingeladen?
Jacek Jeremicz: 1974 ist in Stuttgart die Stiftung Brandenburg ins Leben einberufen worden, mit der 2013 die Stiftung Landsberg/ Warthe fusionierte. Eines der Hauptziele der Stiftung ist die Unterstützung und Anregung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit zwischen den Jugendlichen aus beiden Ländern. Bei vielen Gesprächen mit dem Kurator der Stiftung Brandenburg – Herrn Karl Christoph von Stünzner- Karbe sowie den Mitgliedern des Stiftungsrates, darunter dessen Vorsitzenden Frau Ingrid Schellhaas sowie Herrn Wolfgang Kuhlmann, an denen ich teilnahm, ist die gemeinsame Idee entstanden, ein Treffen mit den Jugendlichen aus Polen und Deutschland zu organisieren. Es sollte aber auch die Möglichkeit für die ehemaligen Landsberger sein, ihre Heimat im Sommer besuchen zu können. 2015 sind leider zwei bedeutende Landsberger Persönlichkeiten - Ursula Hasse-Dresing und Christa Greuling - verstorben, denen es sehr an der Zusammenarbeit zwischen den

SemTeilnhemer
Seninarteilnehmer
Jugendlichen aus beiden Ländern gelegen war, weil, wie Sie immer sagten, die Jugend unsere Zukunft ist. So hat sich die Stiftung Brandenburg bereit erklärt, Träger dieser Veranstaltung zu sein. Sie beauftragte dann Wolfgang Kuhlmann, der über 30 Jahre als Mitarbeiter der Kreisverwaltung Herford im Auftrag der Landräte die internationalen Kontakte des Kreises, mitunter mit Gorzòw aktiv gestaltete und begleitete und mich mit der Organisation und Umsetzung der Veranstaltung. Die Schirmherrschaft über diese Veranstaltung wurde von dem Herforder Bürgermeister - Tim Kähler, Gorzówer Stadtpräsidenten - Jacek Wójcicki sowie Dr. Priester Grzegorz Cyran - Leiter des Institutes Bischof Pluta in Gorzów.
K-H. W.: Sie nennen es „Generationentreffen“. Bitte erläutern Sie uns: wer hat daran teilgenommen?
J.J.: Wir bezeichneten dieses Pilotprojekt in Gorzów als Generationentreffen, weil an der Veranstaltung die Jugendlichen aus drei Gorzówer weiterführenden Schulen, nämlich aus dem I. und II. Lyzeum und der Gastronomieschule und dem Anna-Siemsen-Berufskolleg in Herford teilnahmen. Diese Gorzówer Schulen haben in den vorigen Jahren eine Förderung für ihre Projekte von der Bundesarbeitsgemeinschaft Landsberg/Warthe Stadt und Land e.V. bzw. später den Stiftungen Landsberg sowie Brandenburg erhalten. Anna-Siemsen-Berufskolleg in der Gorzówer Partnerstadt Herford ist die Schule, wo Frau Hasse-Dresing 21 Jahre Schulleiterin war. Sie würde sich bestimmt freuen, dass die SchülerInnen aus Ihrer Schule jetzt nach Gorzów kommen und die Kontakte mit ihren polnischen Freunden pflegen. Zur Teilnahme am Projekt wurden auch die ehemaligen Landsberger sowie die Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten, die nach dem Krieg ihre neue Heimat in Gorzòw gefunden haben. Sie sind die Zeitzeugen der Ereignisse des II. Weltkrieges und seiner Folgen.
An Friedenglocke
An der der Friedensglocke

K-H. W.: Wie stark war die Generation, die die Kriegsjahre noch erlebt haben vertreten?
J.J.: Es ist nicht mehr so einfach die Generation, die die Kriegsjahre erlebt hat wirksam einzuladen. Das sind Menschen, die ihr sehr würdiges Alter erreichten und oftmals, was die ehemaligen Landsberger angeht weit weg in Deutschland leben und weiten Weg nach Gorzów antreten müssen. Ähnlich ist der Fall auf der polnischen Seite, obwohl sie in Gorzów oder der unmittelbaren Umgebung leben, sind sie leider oftmals in keiner guten Verfassung mehr. Es ist mir aber gelungen, die Teilnahme von sechs Zeitzeugen zu gewährleisten, jeweils drei von jeder Seite. Somit konnten wir im Seminar drei gemischte Arbeitsgruppen mit den deutschen und polnischen Jugendlichen und den Zeitzeugen gründen, wo sie über ihre die Erfahrungen und Erlebnisse während des II. Weltkrieges und unmittelbar danach berichten konnten. An der Stelle gilt mein herzlichster Dank an all die Zeitzeugen, die daran teilgenommen haben, insbesondere an die, die den sehr weiten Weg auf sich genommen haben und trotz mancher Strapaze nach Gorzów kamen.
K-H. W.: In Seminaren wurde über „Die erzwungene Bevölkerungsbewegung nach 1945“ diskutiert. Bitte schildern Sie uns Ihre Eindrücke über die Aussagen zu diesem Thema aus polnischer und deutscher Sicht.
J.J.: Das Motto des Seminars war die Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft. Somit wurde im Rahmen der Geschichte des II. Weltkrieges das Thema der erzwungenen Bevölkerungsbewegung angesprochen, darunter die Frage der deutschen und polnischen Zwangsumsiedlung und Vertreibung. In diesem Zusammenhang wurden vom Prof. Dariusz Rymar - Leiter des Gorzówer Staatsarchivs die Ereignisse des Warschauer Aufstandes geschildert, damit vor allem die jungen Menschen es besser verstehen können, was die Gründe dieser erzwungenen Bewegung der deutschen und polnischen Bevölkerung waren, d.h. was die Polen im Krieg und die Deutschen danach erlebten. Alle Seminarteilnehmer haben erstmal dem geschichtsträchtigen Vortrag von Herrn Prof. Rymar aufmerksam zugehört und anschließend wurde im Plenum aber auch in den Arbeitsgruppen lebhaft darüber diskutiert. Ich finde es bemerkenswert, wie offen und bewusst über diese schwierigen Ereignisse diskutiert wurde, zumal man ohne dieses Wissen, sich schwierig die beiderseitigen gutnachbarschaftlichen Beziehungen gestallten ließen. Mich hat besonders eine Aussage von einem der polnischen Schüler bei der Seminarauswertung fasziniert. Er sagte nämlich, dass das jetzige Verhältnis zwischen Deutschland und Polen, wo beider Völker aus Feinden zu Freunden geworden seien, ein Wunder sei, das sich andere Länder in der Welt abgucken sollten. Ich denke das ist die beste Zusammenfassung der Diskussion über diesen Themenkomplex.
Klassenraum
Im Klassenraum

K.-H. W.: Wie wurde über die Situation der „ersten“ Polen und der „letzten“ Deutschen in den Jahren 1945/46 geurteilt?
J.J.: Dieses Thema wurde in den gemischten Arbeitsgruppen diskutiert, wo die deutschen und polnischen Zeitzeugen über ihre Erlebnisse berichteten. Sie wurden dazu von den Schülern auch befragt. Die Aussagen der Zeitzeugen waren natürlich unterschiedlich, so wie ihre Schicksale, die sie erlebten. Sie waren damals Kinder und oftmals bekamen von dem Krieg nichts mit. Für sie als Kinder war die Kriegszeit in dem damaligen Landsberg/ Warthe eher eine unbeschwerte Zeit, wie sie sagten. Die Deutschen, die die Stadt teilweise schon im Januar auf Grund des Russlandeinmarsches verlassen mussten, berichteten über ihren schwierigen Weg nach dem Westen, wo sie teilweise als Fremdlinge ihr neues Zuhause suchen mussten. Dabei hat ihnen oftmals die im deutschen Westen lebende Familie geholfen. Es war für sie aber eine schwierige Zeit, wo sie oftmals um das Überleben kämpften mussten. Die Polen, die in die Stadt im März 1945 kamen, zogen in die von den Deutschen verlassenen Wohnungen ein und übernahmen oft ihre sehr gut ausgestattete Werkstätte. Einer der polnischen Zeitzeugen berichtete darüber, wie sein Vater eine komplett ausgestattete Friseurwerkstatt im Frühjahr 1945 übernahm und seitdem das erste Friseursalon damals in der Stadt betrieb. Die in der Stadt gebliebenen Deutschen und die angekommenen Polen haben sich auch oft gegenseitig geholfen. Die im Sommer durchgeführte Vertreibung der Deutschen war für sie dagegen sehr hart, weil sie innerhalb von einer kurzen Zeit ihre Wohnungen und Häuser verlassen und sich auf den Weg ins völlig Unbekannte und Fremde machen mussten. Manche von denen haben diesen Weg auch nicht mehr überlebt, worüber die Zeitzeugen berichteten. Alle waren sich darüber einig, dass es für beide Seiten eine sehr schwierige Zeit war.
K.-H. W.: Die Annäherung in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts hatte zur Folge, dass viele persönliche Treffen von Polen und Deutschen stattfanden. Wie wurde diese Zeit der Aussöhnung beurteilt?
J.J.: Die Veranstaltung fand genau in dem 25. Jahrestag der Unterzeichnung „des Vertrages über die gutnachbarschaftliche und freundschaftliche Zusammenarbeit“ statt, der zwischen den beiden Staaten 1991 unterzeichnet wurde. Dieser Vertrag hat innerhalb der 25 Jahre die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen sehr positiv verändert und er bleibt nach wie vor sehr aktuell in seinen Ansätzen. Er bewegte und regte sehr viel an, was man heute in Gorzów an vielen Stellen sehen kann. Ich meine hierbei die gemeinsamen Projekte, die in den letzten 20 Jahren in der Stadt umgesetzt wurden. Die meisten von denen wurden den Seminarteilnehmern während der gemeinsamen Stadtrundfahrt präsentiert. Das sind beispielweise folgende Projekte:
Wiederaufbau des Pauckschbrunnens (1997)
Gemeinsame deutschpolnische Gestaltung und Begehen des Gorzower Gedenk- und Versöhnungstages (ununterbrochen seit 1995)
Veranstaltung von drei Bundestreffen der Landsberger in Gorzòw (2000, 2002, 2007)
Gemeinsame Erarbeitung und Veröffentlichung von vielen Publikationen und Ausstellungen
Förderung der Gorzówer Schulen
Einweihung der Friedensglocke (2006)
Aufgrund dieser Begegnung mit der Geschichte der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in der Stadt Gorzów in Form von Projekten wurde die bisher geleistete Versöhnungsarbeit von den Seminarteilnehmern sehr positiv und nachahmungswürdig beurteilt.
K.-H. W.: Die Veranstaltung stand besonders im Zeichen der Begegnungen Jugendlicher. Bitte sagen Sie uns etwas über die Stimmung in dieser Gruppe. Welche gemeinsame Veranstaltung der jungen Generation fanden statt und wie wurden diese angenommen?
J.J.: Das Programm des Seminars beinhaltete neben den geschichtlichen auch die kulturellen sowie Bildungsaspekte. Somit waren wir gemeinsam in der Gorzówer Philharmonie in einem modernen Konzert „Die Vision von Chopin im Kosmos“, das allen sehr gut gefiel. Wir besuchten auch das unweit der Stadt gelegene „Gorzówer Technologiezentrum“. Ein EU-gefördertes Entwicklungs- und Produktionszentrum, das in den letzten zwei Jahren von ca. 15 Tsd. Jugendlichen im Rahmen des dort geführten „Klubs des jungen Erfinders“ besucht wurde. Im Rahmen dieses Klubs nehmen dort Jugendliche an den chemischen, physischen und kybernetischen Experimenten teil, die sie auch selber unter den Profidozenten gestalten sowie durchführen. Der Besuch wurde sehr positiv beurteilt. Es wurde auch eine Freizeit vorgesehen, die u.a. gemeinsam in dem Gorzówer Sport- und Spaßbadzentrum „Słowianka“ verbracht wurde. Die Gorzówer Jugendlichen zeigten ihren deutschen Freunden auch die Stadt zu Fuß. All diese Freizeit- sowie 21 Bildungsaktivitäten kamen bei allen Teilnehmern sehr gut an. Die Zeit für die Freizeitaktivitäten, die die deutschen und polnischen Jugendlichen zusammen verbringen konnten, wurde als etwas zu kurz eingeschätzt. Die Veranstaltung wurde aber durch den Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie den Kreis Herford gefördert, somit musste man bestimmte Kriterien erfüllen, so dass den Förderrichtlinien Rechnung getragen wird. Und das ist auch gelungen, weil das Projekt in der eingereichten Form gefördert und anschließend die Abrechnung bestätigt wurde.
Zeitzeugen
Mit Zeitzeugen

K.-H. W.: Welche Wünsche und Empfehlungen kamen aus den Reihen der Teilnehmer für die zukünftige lokalpolitische, ökonomische und menschliche Entwicklung der beiderseitigen Entwicklungen?
J.J.: Die Grundlage für das Seminar war seine Authentizität. Somit wurden zu dieser Veranstaltung Zeitzeugen eingeladen, die den Krieg überlebten und mit seinen Folgen oft zu kämpfen hatten. Sie versuchten ihre Erfahrungen und Lebensweisheiten den Jugendlichen aus Gorzów und Herford, den Partnerstädten zu vermitteln, was von einer Herforder Schülerin in einem Interview als „total schön“ bezeichnet wurde. Ich denke, das zeigt wie wichtig es ist, Veranstaltungen dieser Art zu organisieren, damit man über schwierige Fragen der Geschichte beider Länder sprechen kann. Durch die Aufklärung dieser Fragen kann man die Toleranz füreinander schaffen und die komplizierte Geschichte beider Länder besser verstehen. Das sind wiederum die Voraussetzungen dafür, dass man gemeinsam die Zukunft gestalten und den Frieden in Europa gewährleisten kann. Die Jugendlichen können die besten Träger dieser Friedensbotschaft sein, wenn man ihnen nur Möglichkeiten für gemeinsame Begegnungen schafft, was das Seminar in Gorzów eindeutig zeigte.
K.-H. W.: Wird es in absehbarer Zeit eine Fortsetzung oder Wiederholung dieser Art von Treffen auf regionaler Ebene geben?
J.J.: Die Stadt Gorzów wird im nächsten Jahr ihr 760. Gründungsjubiläum feiern. Es wird bestimmt eine Reihe feierlicher Veranstaltung geben, die einen würdigen Rahmen dazu bilden werden, deutsch-polnische Begegnungen dieser Art zu organisieren. Das könnte sicherlich eine Bereicherung der Feierlichkeiten sein. Ich weiß aber, dass einige Teilnehmer des diesjährigen Seminars, das ein Pilotprojekt dieser Art in Gorzów war, bis heute in Kontakt bleiben und öfter mal über Facebook kommunizieren. Das ist der beste Beweis dafür, dass es eine gelungene Veranstaltung war, wenn bis heute feste Freundschaften als eins der Projektergebnisse bestehen. K.-H. W.: Ich danke Ihnen für das interessante Gespräch und wünsche viel Erfolg bei den weiteren Projekten.

2017

2018

2019

Wie schon in den Jahren zuvor nwar auch das Treffen im Jahr 2019 ein von vielen Seiten beachtetes Ereignis. Das Ziel, Jugendliche in Gorzów und Herford, aber auch "jüngere" Landsberger Nachwuchsgenerationen für Zusammenarbeit und Verständigung zu interessieren, fand neben den Erwähnungen in den Printmedien - z.B. im Heimatblatt Nr. 58, Seite 12 - seinen Niederschlag in einer Videoreportage. Sie ist in Youtube zu sehen.